'Ich lasse mich impfen weil...' Interview mit Ulrike Jarolimeck

Ulrike Jarolimeck ist 1954 im Alter von zwei Jahren an Kinderlähmung (Poliomyelitis kurz: Polio) erkrankt. Nach teilweiser Rekonvaleszenz und einer stabilen Phase wurde 2001 das Post-Polio-Syndrom (PPS) als Spätfolge der Polio diagnostiziert. Sie engagiert sich seit mehr als 15 Jahren im Bundesverband Poliomyelitis e.V. und ist aktuell 2. Vorsitzende. Der Verband ist mit über 3.000 Mitgliedern der größte Interessensverband für Personen mit Kinderlähmungsfolgen in Deutschland und setzt sich für die Belange von Polio-Betroffenen und deren Angehörigen ein.

Ich lasse mich impfen, weil ... es bei einigen Erkrankungen wie z. B. der Polio keine Heilung gibt, sondern nur Vorbeugen vor einer Infektion schützt.

10 Fragen an Ulrike Jarolimeck

Wie lange liegt Ihre letzte Impfung zurück und wogegen haben Sie sich immunisieren lassen?

Ich habe mich im Januar 2018 gegen Grippe impfen lassen.

Wie halten Sie Ihren eigenen Impfstatus immer auf dem Laufenden?

Mein Hausarzt überwacht meinen Impfstatus und erinnert mich an Impf-Termine, wenn ich es versäume, selbst in meinem Impfpass nachzuschauen.

Warum liegt Ihnen das Thema Impfungen persönlich am Herzen?

Durch meine Polio-Erkrankung und mein Engagement im Bundesverband Poliomyelitis e. V. (www.polio-selbsthilfe.de) habe ich erfahren, welches Leid diese Krankheit für Erkrankte, ihre Familie, für das gesamte Umfeld bedeuten kann. Hätte es zu damaliger Zeit bereits einen wirksamen Impfstoff gegeben, wäre die Infektion vermieden worden.

Berichten Sie über Ihr Engagement im Bundesverband Poliomyelitis e. V.

Durch den Bundesverband Poliomyelitis e. V. habe ich überhaupt erst erfahren, dass es ein Post-Polio-Syndrom gibt. Daher ist es mir ein Anliegen zum einen an Kinderlähmung (der Begriff ist etwas irreführend , denn auch Erwachsene können sie bekommen) erkrankte Menschen insbesondere über geeignete Therapien zu informieren, Hilfestellung bei der Beantragung von Hilfs- und Heilmitteln sowie Reha-Anträgen zu geben und zum anderen in der Bevölkerung darauf hinzuwirken, dass auch heute noch eine Impfung gegen Polio erforderlich ist.

Wie gestaltet sich der Alltag mit dem Post-Polio-Syndrom bei Ihnen und bei Ihren Bekannten? Welchen Einschränkungen begegnen Sie im Alltag?

Das PPS ist eine chronische, fortschreitende Erkrankung. Durch geeignete Therapien und eine Lebensumstellung kann es gelingen, die Progredienz zu verlangsamen. Das bedeutet auch, es müssen vermehrt Hilfsmittel wie Gehstöcke, Orthesen, Rollstühle genutzt werden. Die Akzeptanz dieser Hilfsmittel fällt manchen Betroffenen sehr schwer. Polio-Erkrankte berichten u. a. über Schmerzen und extreme Müdigkeit. Die Mobilität wird mehr und mehr eingeschränkt, Treppensteigen beispielsweise zur großen Herausforderung. Die Pflege sozialer Kontakte wird durch die mangelnde Barrierefreiheit in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens erschwert. Mühsam und kräftezehrend sind die Diskussionen mit den Leistungsträgern, wenn es z. B. um die Beantragung von Hilfsmitteln, Reha- Maßnahmen und die Einstufung in Pflegegrade geht.

Hat sich Ihre Einstellung zum Thema Impfen aufgrund Ihrer Erkrankung verändert?

Für mich war es keine Frage, ob unsere Söhne geimpft werden sollen. Es war eine Selbstverständlichkeit.

In wie weit kommen Sie bei Ihrer Aufklärungsarbeit des Bundesverband Poliomyelitis e.V. mit dem Thema Impfungen in Berührung?

Im Rahmen unserer Veranstaltungen weisen wir immer wieder darauf hin, dass es bis jetzt keine Heilung gibt, wenn jemand an Polio erkrankt. Die Folgen der Erkrankung bleiben ein Leben lang. Daher kann man nur vorbeugen durch Impfen.

Was wünschen Sie sich von Ärzten im Umgang mit Polio-Patienten? Wann und warum fühlen Sie sich missverstanden?

Polio und die Folgen kommen leider in der Ausbildung der Ärzte zu kurz. Viele Ärzte haben daher nur geringe Kenntnisse über das Krankheitsbild, ja manche leugnen es sogar. Viele Polio-Betroffene wissen mehr über ihre Erkrankung als ihre Behandler. Bedauerlicherweise kommt es oft vor, dass Mediziner und Therapeuten dies als Besserwisserei abtun und somit Fehlbehandlungen nicht selten sind.

Warum lassen sich in Deutschland aktuell zu wenige Menschen impfen? Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen im Alltag in Bezug auf Impfungen?

Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, welche verheerenden Folgen manche Erkrankungen haben, weil es - wie im Falle der Polio - glücklicherweise in Deutschland keine Neuerkrankungen gibt, wohl aber z. B. in Afghanistan und Pakistan. Die Gefahr besteht, dass das Virus eingeschleppt wird und auf ungeimpfte Menschen trifft.

Was lässt sich Ihrer Meinung nach noch verbessern beim Impfgeschehen in Deutschland?

In der letzten Zeit kam es immer wieder zu Lieferengpässen bei verschiedenen Impfstoffen. Eine Ursache ist wohl darin zu suchen, dass z. B. der Polio-Impfstoff nur noch von wenigen Pharma-Unternehmen produziert wird. Die Herstellung ist zeitaufwendig, und es gibt lukrativere Geschäftsfelder für die Unternehmen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft bezüglich des Impfwesens?

Ich wünsche mir einen sachlichen Umgang mit dem Thema, eine kompetente Aufklärung und Berichterstattung in den Medien – vor allem im Internet. Der Präventionsgedanke sollte mehr in den Vordergrund rücken.