Interview mit Prof. Rom über HPV

"Kurzbio" über Prof. Rom:  langjähriger Oberarzt und stellvertretender Leiter des Zentrums für Gynäkologische Krebserkrankungen in Heidelberg

 

Sehr geehrter Prof. Rom, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben für ein Interview mit unserem Verein zur Impfaufklärung in Deutschland. Sie sind jetzt seit über 14 Jahren als Gynäkologe tätig. Was sind Ihre Erfahrungen mit dem Cervix-Karzinom (Gebärmutterhalskrebs) und was erwarten Sie von der HPV-Impfung in diesem Zusammenhang?

Vielen Dank erstmal für die Möglichkeit des Interviews. Es ist natürlich auch für mich schön die Informationen weiter zu geben.
Das Cervix-Karzinom ist ein Tumor, der letztendlich von Viren verursacht wird und immer mehr junge Frauen betrifft - also Frauen mit Kinderwunsch oder die schon kleine Kinder haben. Von der Gesamtprognose her, wenn man alle Cervix-Karzinome in einen Topf schmeißt, ist die 5-Jahres-Überlebensrate um die 70%. Das heißt, dass wir einen relativ hohen Anteil an Frauen haben, die an dieser Erkrankung versterben. Das ist natürlich emotional immer ganz schwierig, wenn Kinder involviert sind und die Patientinnen Kinderwunsch haben und das dann nicht funktioniert aufgrund einer solchen Erkrankung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es auch in der Realität genau diese Patienten sind, die zu uns kommen, mit kleinen Kindern, und dann so eine Diagnose bekommen, was die ganze Familie aus der Bahn wirft.

Was kann denn da die HPV-Impfung bewirken?

Wir kennen ja mittlerweile die HPV-Typen, die hauptsächlich das Cervix-Karzinom verursachen - also z.B. 16 und 18; da gehören natürlich auch noch ein paar andere dazu, die das in selteneren Fällen verursachen. Es ist eine Impfung auf dem Markt, die genau gegen diese Typen wirkt und die Infektion mit diesen Typen verhindern kann, was natürlich die Folge hat, dass wir weniger Infektionen sehen werden, wenn die Impfung durchgeführt wird.

Die HPV-Impfung ist von der STIKO in Deutschland von 9-14 Jahren bzw. bis zum vollendeten 17 Lebensjahr empfohlen – sowohl für Frauen als auch für Männer. Ist über dieses Alter hinaus ggf. noch eine Impfung sinnvoll?

Ja, da sind die Daten aber noch nicht ganz so gut. Die Frage ist, was ist mit den Patienten die HPV- naiv sind (Anmerkung „Impf-Dich“: nachweislich noch nicht mit dem jeweiligen HPV-Typ infiziert), bzw. ob dann trotzdem im höheren Alter die Impfung wirkt. Aber ich denke aus medizinischer Sicht macht es schon Sinn, wenn jemand HPV negativ ist, auch zu impfen. Die zweite Frage ist, ob die Patienten, die eine HPV-Infektionen haben von einer HPV-Impfung profitieren. Es gibt Daten zu Patienten mit durch HPV verursachte Vorstufen-Läsionen und da sieht man, dass nach einer Operation und anschließend durchgeführter Impfung weniger Vorstufen-Läsionen als Rezidiv auftreten. Wo wir die Daten noch nicht so gut haben, ist für die Patienten mit HPV-positivem Karzinom nach Therapie, aber da werden die Daten kommen. Es wird schon mehrfach untersucht und es wird auch funktionieren. Warum sollte es in den Vorstufen funktionieren und beim Karzinom nicht mehr. Das heißt, die einzige Gruppe, die man im Moment nicht impfen kann, weil man noch keine ausreichenden Daten hat, sind die HPV-Positiven, die noch keine Vorstufen entwickelt haben.

Wenn jetzt alle Jungs und Mädchen in Deutschland geimpft würden, müssten die Mädchen dann noch trotzdem zur Vorsorge, oder wäre eine konsequente Vorsorgeuntersuchung auf die HPV-Viren nicht vielleicht sogar gleichwertig?

Es gibt mittlerweile schon Studien mit der Frage, ob unsere Vorsorge so noch sinnvoll ist. Der GBA hat letztes Jahr die Vorsorge verändert – bisher war es ja einmal jährlich für alle Patientinnen – jetzt ist es so, dass die Untersuchung mit dem Pap-Abstrich einmal jährlich für Frauen zwischen 20 und 34 empfohlen wird und ab 34 alle 3 Jahre, dann aber mit HPV-Test. Damit will man die Risikogruppen herausfiltern, um bei diesen eine engere Kontrolle zu machen.
Die HPV-Impfung ersetzt aber nicht die Vorsorge. Es gibt mittlerweile Untersuchungen, die nur noch nach dem Virus gucken und auch einen HPV-Selbsttest evaluieren. Aber es gibt immer Impfversager (Anm. „impf-dich“: gelegentlich vorkommender, nicht ausreichender Schutz bezüglich des geimpften Erregers nach Impfung, häufig nach erneuter Impfung ausreichender Schutz) und HPV-Typen, die nicht mit der Impfung abgedeckt sind, die eventuell auch noch Tumore verursachen können.

Aber eine alleinige Vorsorge reicht nicht aus?

Sich impfen zu lassen ist absolut sinnvoll – eine ergänzende Vorsorge natürlich auch.

Teilweise wird behauptet, dass die HPV-Impfung zumindest in Deutschland noch keine nachweisbaren Erfolge bezüglich des Karzinoms hat. Woran liegt das?

Weil wir keine zentralen Melderegister haben. Da macht uns der Datenschutz in Deutschland ein bisschen Schwierigkeiten. Es gibt andere Länder auf der Welt, in denen es auch in großen Studien untersucht wurde und man da auch den Impferfolg sieht. Hier in Deutschland wird es einfach nicht so zentral ausgewertet und da ist es schwer solche Daten zu erheben. Die Impfempfehlung in Deutschland sind von 2007, das heißt wir haben jetzt knapp zwölf Jahre, da sieht man die Erfolge noch nicht so. Wenn die neun-jährigen – lassen wir sie mal zehn sein – vor 12 Jahren geimpft wurden, dann sind die jetzt 22 und da sehen wir in der Regel noch keine Karzinome, sondern eher die Vorstufen.

Konnte man denn international Erfolge sehen, was die Impfung bewirkt?

Die beeindruckendsten Daten sind aus Australien, die 2007 ein vernünftiges Impfkonzept gestartet und auch sehr gut durchgeimpft haben - mit über 70% Durchimpfungsrate. Und in Australien ist es so, dass man in der Tat eine deutliche Reduktion sieht - eine Reduktion um 54% bezüglich der Karzinom-Vorstufen und um 94% der Genitalwarzen, die auch von HPV-Typen verursacht werden. Das sind enorme Zahlen.
Die Inzidenz (Anm. „impf-dich“: die Anzahl von Neuerkrankungen innerhalb einer Personengruppe und eines bestimmten Zeitraums) für‘s Cervix-Karzinom ist momentan 7 pro 100.000; erwartet wird eine Reduktion bis 2025 auf 4 pro 100.000 und bis 2035 eine Reduktion auf 1 pro 100.000 Frauen.